Na dann Schluss damit!
„Wer auf andere Menschen wirken will, der muss erst einmal in ihrer Sprache mit ihnen sprechen“, wusste schon Kurt Tucholsky. In der Werbung und PR ist man eher vom Gegenteil überzeugt. Werbesprech und Werbeanglizismen prägen eine ganze Branche. Nur Texter schlagen ein bisschen aus der Art. Manche. Ich zum Beispiel. Weil wir mit einem anderen Anspruch an die Sache herangehen: Er lautet Klarheit und Verständlichkeit.
Und der gilt auch für meine eigene Kundenkommunikation. Kürzlich beim Erstgespräch:
Ich: „Wie sind Sie denn auf mich aufmerksam geworden?“
Er: „Sie wurden mir empfohlen. Aber ich habe mir auch einige Texter-Webseiten angeschaut. Und Ihre habe ich verstanden.“
Gibt es für eine Texterin ein schöneres Kompliment von einem Noch-Nicht-Kunden?
Warum ich Ihnen das gerade heute erzähle?
Weil wir seit dem Jahr 2000 jedes Jahr am 21. Februar den Internationalen Tag der Muttersprache begehen. Ausgerufen von der UNESCO soll der Tag an die Bedeutung des Kulturgutes Sprache erinnern, die Sprachenvielfalt und den Gebrauch der Muttersprache fördern und das Bewusstsein für sprachliche und kulturelle Traditionen stärken. Der Gedenktag wird genutzt, um die Aufmerksamkeit auf Minderheiten- und aussterbende Sprachen zu lenken.
Deutsch? Minderheitensprache? Aussterbend? Natürlich nicht.
Aber gutes Deutsch? Schönes Deutsch? Verständliches Deutsch? Sehen Sie …
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch.
Die Werbebranche hat eine eigene Phantasiesprache entwickelt. Auch ich bin bekennende Denglisch-Anwenderin, aber ich weiß, bei wem ich im beruflichen Kontext damit punkten möchte. Am ehesten bei Branchenkollegen.
In der Kommunikation mit Kunden definiere ich meinen Expertinnenstatus auf andere Art – weil ich auf Augenhöhe arbeiten möchte. Das finde ich wertschätzend.
Da müssen noch mehr Fachbegriffe rein?
Storytelling, Content-Marketing, Inbound-Marketing, User-Experience, … und wer wird von „Wunschkunden“ sprechen, wenn er zu ihnen neuerdings „Buyer Personas“ sagen kann? Sie werden solche Begrifflichkeiten auf meiner Website nicht finden, obwohl ich natürlich damit arbeite.
Ich behaupte sogar: In der Werbe- und PR-Branche sind viele Anglizismen nur dazu da, um Begriffe aufzublasen und ihre Bedeutung zu übersteigern – und immer wieder einmal eine neue Marketing-Sau durchs Kommunikationsdorf zu treiben.
Was viele dabei übersehen: Wenn einen der Laie nicht versteht, heißt das noch lange nicht, dass man als Fachmann oder Expertin wahrgenommen wird. Dazu kommt: Wer seine Dienstleistung erst lang und breit erklären muss, erleichtert dem Kunden nicht gerade dessen Customer Journey (sic! :-), oder?
Schopenhauer, der für alles einen flotten Spruch parat hatte, formulierte dazu recht passend: „Nichts ist leichter, als so zu schreiben, dass es kein Mensch versteht; wie hingegen nichts schwerer, als bedeutende Gedanken so auszudrücken, dass jeder sie verstehen muss.“ Und der Internationale Tag der Muttersprache ist ein guter Anlass, sich darüber zumindest wieder einmal Gedanken zu machen.
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